Cars & Motorcycles

Hemi Rockerhead – 1926 Ford Model A Roadster

Hot Rod: 1926 Ford Model T Roadster Rockerhead, Frontansicht

1926, ein hierzulande nahezu unbekannter Calvin Coolidge ist der 30. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, die Prohibition war im vollen Gange und der Gigant und einstige automobile Innovationsbetrieb Ford bekam langsam die Auswirkungen der zurückhaltenden Modellpolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte zu spüren. Das legendäre Ford Model T bäumte sich mit der ersten großen Modellpflege seit 1917 ein letztes Mal auf. Ein komplett neugestaltetes Äußeres und eine nur sehr zögerlich eingeführte Farbpalette – bis dato war das Model T ausschließlich in Schwarz erhältlich – sollten neue Käufer anlocken. Doch die Zeiten hatten sich geändert: Den Bürgern stand inzwischen mehr Geld zur Verfügung, die Frauen waren dabei, sich ein Mitspracherecht beim Autokauf zu erkämpfen, und schlussendlich vereitelten die niedrigen Preise von Fahrzeugen der gehobenen Klasse auf dem Gebrauchtwagenmarkt jener Zeit einen erneuten durchschlagenden Erfolg für die, trotz Kosmetik, in die Jahre gekommene Tin Lizzy – die Produktion ging um 17 Prozent zurück. Noch dementierte Ford die Gerüchte über einen möglichen Nachfolger des Erfolgsmodells, doch die Produktion des Model T wurde bekanntermaßen bereits im Mai 1927 nach über 15 Millionen produzierten Einheiten eingestellt. Noch heute sind davon ein Prozent, also zirka 150000 Stück erhalten, eines davon als einer der inzwischen bekanntesten Model T Hot Rods in Deutschland.

Im Jahre 2002 begegnete ich Alex Schieder zum ersten Mal. Das zweite Headbanging in Finsterwalde war gerade in vollem Gange, als ich zufällig dabei stand, als er Fotos einer Model-T-Roadster-Karosserie einem Freund von mir zeigte. Recht viel mehr als ein paar Blechteile und ein alter Hemi-Motor waren auf den Bildern nicht zu sehen, doch das Ziel war klar: Eine sehr flotte Tin Lizzy sollte entstehen. Alex, der schon seit etlichen Jahren in der Roller- und VW-Szene aktiv war, las schon während seiner Schulzeit die gängigen US-Car-Magazine, die damals noch voll von quietschbunten GFK-Rods mit allerlei Billet-Zubehör waren. Doch ein Artikel war anders: Ed Iskenderians’ Vorkriegs-Hot-Rod. So etwas sollte es sein! Noch während er seinen gechoppten Ovali-Käfer fertigstellte, beschloss Alex, sich selbst einen solchen ursprünglichen Hot Rod zu bauen. Eins war jedoch klar: Er musste Leistung haben – langsames Fahren war und ist nicht Alex’ Stil. Um die Jahrtausendwende begann er mit der Teilesuche, die sich noch schwieriger darstellte als heutzutage. Das Internet begann gerade erst zum richtigen Massenphänomen zu werden und an Schrottplätzen mit geeignetem Material mangelt es in Deutschland, wie wir alle wissen, seit jeher. Also halfen nur Kleinanzeigen weiter. Genau dort fand er auch dann den ersten Baustein seines Vorhabens: ein 331ci-Chrysler-Hemi-V8 von 1953.

Bei starkem Schneefall machte er sich auf den Weg in Richtung Landshut in Niederbayern, um den Motor von einem Cadillac- und Chrysler-Sammler abzuholen. Fehlte nur noch das passende Fahrzeug, um ihn einzubauen. Dies fand sich 2001 bei Ebay: Für 1500 US-Dollar ersteigerte Alex einen kompletten 1926 Ford Model T Roadster, der sich die letzten 40 Jahre auf einem Feld in Illinois langsam selbst kompostiert hatte. Als der Wagen in Bremerhaven ankam, fanden sich noch zwei andere Jungs aus Bayern bei der Spedition ein, die ebenfalls eine Hot-Rod-Basis abholen wollten. Deren Projekt war dann auch schon im Jahr darauf 2002 mit einem Jaguar V12 und selbstgedengeltem Roadster-Heck in Finsterwalde zu sehen. Alex hatte sich bereits im Vorfeld informiert und kontaktierte einen in Bremerhaven ansässigen Händler, der sich auf Vorkriegs-Fords spezialisiert hatte, um ihm einen Tausch anzubieten: alle Teile des 44 Model T’s bis auf die Karosserie gegen eine komplette Model-A-Vorderachse inklusive Spindeln, Wishbone, Blattfeder und Bremsen. Der Deal war perfekt und so gesellten sich zum Hemi weitere wichtige Bauteile.

Als gelernter Zweiradmechaniker, der mittlerweile bei der US-Army als Panzerund LKW-Mechaniker arbeitet, war Alex klar, dass er die meisten Arbeiten an seinem Ford selbst erledigen würde. Unter der Karosserie fand ein geboxter Rahmen von 1928 eine neue Heimat. Zusätzlich zu dem originalen vorderen Crossmember verbaute er noch ein mittleres und ein für das neue Federelement angepasstes hinteres Crossmember. Auf dem mächtigen Chrysler V8 thronen vier Dellorto-Vergaser, die über eine selbstgebaute Ansaugspinne die Brennräume mit dem passenden Gemisch versorgen. Eine fertige Spinne für Alex’ Anforderungen gibt es nur für die größeren Hemis mit 354ci und 392ci. Den Antriebsstrang komplettierte das Fünfgang-Getriebe TKO 600 Road Race von Tremec und eine 1956er-Imperial- Hinterachse mit Model-A-Blattfeder. Die selbst verbreiterten und umgeschweißten Felgen stammten vorne von einem russischen Wolga, hinten vom 1956er-Imperial und wurden gepaart mit Coker-Weißwandreifen. Die originale Model-T-Frontscheibe ist zweiteilig und sehr hoch. Alex nutzte die zwei Seitenelemente und kürzte sie, indem er das Mittelstück heraustrennte. Den eigentlichen Scheibenrahmen konstruierte er aus einem gebogenen Hydraulikrohr und einer U-Schiene für die Aufnahme der Scheibe, welche er bei Flachglas in Weiden anfertigen ließ. Der Scheibenwischer hingegen ist eines der wenigen originalen Ford-Model-T-Teile, die verbaut wurden. Der Kühlergrill ist ein gekürzter 32er-Ford von Brookville, hinter dem sich ein selbst geplanter und gebauter Kühler verbirgt, den ein lokaler Kühlerbauer für Alex zusammenlötete. Gesteuert wird über ein mit einem Chrysler-Logo aufgewerteten Lenkrad und einer Lenksäule eines 1956er VW-Käfer-Exportmodells, das an ein ICH-Lenkgetriebe angeschlossen ist. Der Instrumententräger ist genau wie der dahinterliegende Tank original von einem 1926er-Ford, die Instrumente selbst sind jedoch sehr ungewöhnlich, denn der Motorradtacho stammt von einer 1951er-BMW und wurde umgeändert auf 200 km/h, die Öldruck- und Wassertemperaturanzeige stammen wiederum von einem 1962er-IHC-Traktor.

Die erste Version des Roadsters entstand in einer eher rohen Form. Man könnte ihn in diesem Status auch als Rat Rod bezeichnen: mattschwarz mit grauen Scallops, eisernes Kreuz auf dem Kofferraum und Totenschädel im Kühlergrill. 2003 war der Wagen fertig und Alex fuhr damit seine ersten Rennen in Finsterwalde. Auf dem Weg zum ersten A-Bombers HillClimb Race fuhr er schließlich durch Berlin und wurde prompt aufgehalten, der T-Roadster schließlich sogar konfisziert. Schnell war klar, dass sich der Wagen in Zukunft weniger brutal präsentieren sollte, um nicht weiterhin ein Polizeimagnet zu bleiben. So baute Alex den Wagen zu einem Paradebeispiel eines 50er-Jahre-Highboys um: glänzender Lack, viel Chrom und Weißwandreifen. Ein Lackierer aus Kronach lackierte Karosserie und Rahmen in „Maya Gelb“, einem goldenen Lack aus der Volkswagen-Palette, die Firewall wurde weiß. Die dezenten Pinstripes stammen von Chris Kress vom Beaters Car Club aus Ingolstadt, der Schriftzug am Heck ist von Alex selbst. „Rockerhead“ ist hierbei eine auf seinen Hemi bezogene Anspielung auf die „Flathead“-Schriftzüge, die er im Laufe der Jahre auf Hot Rods gesehen hat. Der Kühlergrill mit Original-Ford-Crankhole erhielt ein selbstgebautes Insert aus einem verchromten 10er-Hydraulikrohr als Umrandung und Schweißstäben, das Gitter selbst wurde weiß pulverbeschichtet. Die eher unruhig laufenden Wolgafelgen wichen Pendants aus dem Hause Ford, welche Zierringe und Radkappen von 1947/48 erhielten. Das Ganze rollt seitdem auf diagonalen Firestone Wide Whites. Allerdings muss man ehrlich zugeben, dass die Fertigungsqualität der originalen Felgen mit den neuen Reifen kein Garant für einen ruhigen Lauf bietet. 2006 schließlich war Alex mit dem Umbau fertig und fuhr seither viele Tausend Kilometer quer durch Europa, um an diversen Veranstaltungen teilzunehmen. Stets mit an Bord ist sein treuer Wegbegleiter Berni, der es trotz der brachialen Kraft des Roadsters unterwegs schafft, das ein oder anderen Nickerchen zu halten – wichtig nur, dass er seinen langen, geflochtenen Bart mit Wäscheklammern an der Jacke festmacht, da er sich sonst unterwegs selbst auspeitschen würde. 2007 wurde noch das letzte, fehlende Stück komplettiert: die Innenausstattung. Den Kasten der Sitzbank baute Alex selber und ließ ihn zusammen mit den Seitenverkleidungen bei der Sattlerei Spranger in Weiherhammer in rotem Leder von Mercedes anfertigen.

Im letzten Jahr der Bottrop Kustom Kulture trat Alex nun wieder wie gewohnt beim Achtelmeilerennen an, das leider schon nach wenigen Metern endete, denn der Hemi platzte und Alex trat den Heimweg mit dem ADAC an, einen Pokal für die schnellste Zeit erhielt er trotzdem. Keine Frage, dass der Wagen wieder fahrbereit gemacht werden sollte. Es dauerte aber einige Zeit, um die nötigen Teile zu bekommen und weitere Verbesserungen an dem Wagen vorzunehmen. Das Ergebnis ist die dritte Version des Roadsters, so wie ihr sie nun hier seht und auf deren Details wir nun genauer eingehen werden.

Der neue Motor sollte selbstverständlich wieder ein Chrysler Hemi werden, gar nicht so einfach, denn mittlerweile sind diese Motoren noch um einiges rarer und teurer geworden. Der neue 331ci-Block von 1951, den er schließlich nutzte, wurde auf 0,30-Übermaß gebohrt und erhielt die Köpfe von einem 1954er-Motor. Die Wahl dieser Köpfe machte Alex allerdings nicht freiwillig, denn zuerst besorgte er sich wieder welche von 1951-53 und fräste diese selbst auf, was jedoch drei Mal misslang – er brach durch die Kanäle. Letztendlich benutzte er die 1954er, die bereits größere Kanäle mit größeren Ein- und Auslassventilen besitzen. Der Ventiltrieb erhielt dabei Hot-Hemi- Heads-Chrom-Moly Stößelstangen. Im Inneren des Motorblocks verrichten Ross-Racing-Schmiedekolben mit erleichterten, polierten und ausgewogenen Pleuel ihr Werk und sorgen für eine Verdichtung von 10 zu 1. Etwas mehr Aufmerksamkeit erforderte Alex’ Wahl der Nockenwelle, denn die gewünschte Iskendarian-280-Hyd-Mega mit hydraulischen Liftern ist zwar die Stärkste auf dem Markt, allerdings passt sie nicht mit dem alten Steuerkettengehäuse der Jahre 1951–53 zusammen, da sie erst für die 1954er-Modelle auf den Markt kam. Um die ältere Optik nicht zu verlieren und nicht den ganzen Kasten und die Wasserpumpe austauschen zu müssen, schliff er die Nockenwelle vorne um, damit Steuerkasten und Steuerkettenzahnräder wieder zusammenpassen. Ein kleines, aber feines Detail am neuen Motor, das wir nicht unerwähnt lassen wollen: Alex baute sich einen Ölfilteradapter. Bei der Frage „Warum?“ musste er nur schmunzeln und meinte, dass das „Chryslerzeug“ eh meistens nicht mehr funktioniert und dafür viel zu teuer ist; die GM-Filter dagegen bekäme man ja fast umsonst. Da kann man nur schwer widersprechen. Die Auspuffanlage ist inklusive der Header selbst aus V2A gebaut, die Cut-Outs waren früher über Seilzug bedienbar, sind jetzt jedoch fest verschraubt. Am hinteren Ende sorgen klassische Cherry-Bomb-Auspuffbirnen für den passenden Klang.

Auch andere Komponenten erfuhren weitreichende Veränderungen. So ersetzte Alex die Hinterachse durch eine Ford-8-Zoll mit Traction- Lock und einer Übersetzung von 3,54 zu 1 aus einem Mustang der ersten Generation. Um weiterhin die alten Ford-Felgen mit den Radkappen fahren zu können, mussten die Steckachsen von Lochkreis 4,5 auf 5,5 Zoll abgeändert werden. Zur neuen Hinterachse gesellte sich auch noch die Feder eines 34er-Fords, was eine Anpassung des hinteren Crossmembers erforderlich machte. An der Vorderachse bremsen nun 39er-Ford-Bremsen in Kombination mit den schicken, gefinnten Alutrommeln eines Buicks von 1958.

So gewappnet ist der inzwischen 91 Jahre alte automobile Großvater weiterhin munter und flott unterwegs und erfreut den Besitzer und Besucher jeglicher Veranstaltungen, auf denen er zu sehen ist. Überall, wo Action mit Hot Rods zu erwarten ist, war auch Alex schon mal mit seinem Roadster zu sehen. So liest sich die Liste der Treffen, an denen er teilgenommen hat, wie ein Who-is-Who der Szene: Headbanging in Finsterwalde, Rust’n’Dust in Teterow, A-Bombers in Schweden und natürlich die Kustom Kulture Forever in Herten. Dass Alex dabei immer alles gibt und sein Fahrzeug keineswegs schont, ist allseits bekannt. Und wenn es auch so manches Mal seinen Tribut fordert, bringt es jedoch auch unvergessliche Momente und so manchen Erfolg mit sich. So erreichte er 2012 den ersten Platz in der Klasse über 300ci beim Headbanging in Finsterwalde und den Zeitrekord beim Bergrennen am Devil’s Peak in Schweden. Wer den Wagen in Aktion sehen will, findet ein aussagekräftiges Video bei Youtube (youtube.com/watch?v=djNih_iWFq8) – Gänsehaut ist garantiert!

Da der Roadster soweit fertiggestellt ist und nur die jährlichen Wartungsarbeiten und Reparaturen benötigt, hat sich Alex schon vor einiger Zeit dazu entschlossen, ein zweites Projekt zu beginnen: ein 1931 Ford Model A Coupé, selbstredend wieder mit einem Hemi-V8, dieses Mal allerdings der große 392er! Wir sind gespannt!